Eine zusammenfassende Kritik am Geldsystem
Was ist an Geld problematisch und was hindert uns daran, offen darüber zu reden? Welche „Eigenschaften“ hat Geld, dass es so schwierig ist, über einige ganz entscheidende Eigenschaften des Geldes zu sprechen, obwohl es doch ein alltägliches „Gebrauchsgut“ ist?
Die folgenden Punkte fassen die Kritik am Geld zusammen und benennen die Schwierigkeiten darüber zu reden:
1. Unser Geld ist eine „Denkform“
Diese Kennzeichnung geht auf Karl-Heinz Brodbeck (2016) zurück, der sehr intensiv über das Geld nachgedacht hat. Geld ist Ausdruck unserer Neigung die Welt in Maß und Zahl zu (er)fassen, also zu quantifizieren. Das hat in der Geschichte der Menschheit einerseits enorme Effizienzsteigerungen und dadurch Verbesserungen unserer Lebensqualität ermöglicht, die wir genießen dürfen. Die mit geldförmigem Denken verbundenen Bewertungen können jedoch leicht zu einseitiger – eben sehr zahlenmäßiger – Wahrnehmung der Wirklichkeit, zu destruktivem Verhalten und bei Menschen zu Verletzungen führen. Noch einmal anders ausgedrückt: Ausschließlich quantifizierendes, monetäres, mithin „geldförmiges“ Denken fördert Bewertungen (Aufwertung oder Abwertung), die in Menschen Mangelgefühle erzeugen und sie verletzen können und sie in eine trennende Erfahrung führen. Verbundenheit bleibt dann auf der Strecke. Geld ist zudem quasi unvergänglich und hat gleichzeitig die höchste Liquidität aller Wirtschaftsfaktoren. Dem stehen keine gleich starken nachteiligen Faktoren gegenüber. Es ist damit konkurrenzlos der mächtigste Wirtschaftsfaktor.
2. Unser Geld verbindet und trennt zugleich
Jeder Mittler hat zugleich einen verbindenden wie auch einen trennenden Charakter. Als Werkzeug eingesetzt verbindet Geld uns Menschen über weite Entfernungen hinweg, etwa in internationalen Handelsbeziehungen. Zugleich trennt es im Nahraum, weil Dienste oder Hilfestellungen einfach als Leistung (etwa im Internet) eingekauft werden können. Zudem weist Jens Martignoni (2017) daraufhin, dass Geld weltweit fast beliebig verschoben oder versteckt werden kann, ohne Rücksicht auf lokale Zusammenhänge.
3. Unser Geld mutet manche Menschen „alchemistisch“ an
Kreditgeber (Geschäftsbank) und -nehmer (Kund:in) erstellen eine handfeste Zahlungsverpflichtung und erschaffen dadurch letztlich gemeinsam Geld. Geld wird somit zunächst erschuldet und nicht erwirtschaftet (Sahr 2022). Für viele Menschen kommt das einer Materialisierung aus dem Nichts gleich – und manchen Menschen erscheint das eben wie Alchemie (Mehrling 2015).
4. Unser Geld besitzt grundlegenden Mischcharakter
Geld ist eine öffentliche Einrichtung (Zentralbankgeld), aber auch privates Eigentum (Bank-Depositen, Giralgeld bzw. Buchgeld) (s.a. Mehrling 2015, Freydorf 2021), ohne dass der Übergang vom Einen zum Anderen geregelt wäre (Martignoni 2017). Auch die folgenden Widersprüche können vermutlich diesem Mischcharakter zugeordnet werden (siehe Martignoni 2017): So ist Geld das einzige gesetzliche Zahlungsmittel, gleichzeitig aber auch beliebig verwendbares Spekulationsobjekt. Außerdem wird Geld als universeller Maßstab gebraucht, obwohl seine Kaufkraft Änderungen unterliegt. Geld unterliegt einem allgemeinen Annahmezwang, aber keinem Weitergabezwang, obwohl das erste ohne das zweite nicht sehr sinnvoll erscheint. Private Geldvermehrung durch Fälschung und Einbringen in die Wirtschaft ist bei Strafe untersagt, das Herausziehen von Geld aus der Wirtschaft zur privaten Hortung ist jedoch erlaubt.
5. Unser Geld wird unterschiedlich gesehen
Geld wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet, denn wir alle haben differierende Erfahrungen mit Geld gemacht. Uns wurden und werden verschiedene Vorstellungen von Geld vermittelt, wir betrachten seine Merkmale, sein Wesen, seinen Stellenwert in der Gesellschaft, seine faktischen und seine möglichen Funktionen nicht durch die gleiche „Brille“. Wenig hilfreich ist zudem, dass die Hüter der Geldordnung selbst keine völlig klare Haltung zu ihrem Gegenstand haben (Martignoni 2017).