Welches Geld braucht die Welt?

Unser Wohlstandsmodell ist nicht zukunftsfähig

Ein neues besseres zukunftsfähigeres Wohlstandsmodell muss aus meiner Sicht die heutigen und die kommenden Lebensmöglichkeiten besser verteilen als das aktuelle, und muss dafür auch sehr viel sorgsamer mit den begrenzten Naturgütern umgehen. Immer mehr Menschen, gerade auch in den sog. hochentwickelten, gut bis teilweise über- und fehlversorgten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften scheinen dies so zu sehen. Die meisten Menschen – einschließlich vieler Politiker:innen – wissen nur leider nicht, wie wir „da raus kommen können“.

Welche Rolle spielt unser Finanzsystem?

Eine große Rolle spielt dabei das Finanzsystem mit seinen vielen Facetten vom Kreditwesen bis zum Börsenhandel und auch unser Geld „an sich“. Wie und wohin wir es als einzelne und als Gesellschaft lenken, in welchen Bereichen wir es also investieren, hat eine wesentliche Bedeutung. Wo legen die Pensionsfonds das Geld an, wo die Versicherungen? Wie wird die Altersvorsorge für weltweit Millionen Menschen organisiert? Welche Anlageformen gelten als nachhaltig? Und vor allem: Wie entsteht unser Geld überhaupt? Wie kommt es in die Welt? (Siehe dazu auch den früheren Blogeintrag „Welchen Impuls bekommt unser Geld bei seiner Schöpfung?„) Wer bestimmt nach welchen Maßstäben über die Geldschöpfung? (Schnelle und verkürzte Antwort: Das tun übrigens im wesentlichen die Geschäftsbanken vor allem mit Blick auf ihre Geschäftsinteressen – und nicht etwa die Zentralbanken.) Und welches positive Potenzial steckt eigentlich in Kryptowährungen, wenn sich ihre Gestaltung vor allem am Gemeinwohl orientierte?

Geld ist nicht neutral

Wie unser Geld und unser gesamtes Finanzsystem verfasst und organisiert sind, spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Geld ist unser allgegenwärtiges Transaktionsmittel, es ist aber nicht neutral. Und es ist immer auch Ausdruck unserer Haltung, die wir gegenüber der Welt haben, gegenüber unseren Mitmenschen und der nichtmenschlichen Mitwelt. Und das Umgekehrte gilt auch: Das Geld prägt diese Haltung zugleich auch wieder.

Donut-Ökonomie als mögliches Wirtschaftsmodell

Wie wir leben und arbeiten schadet in der Gesamtheit unserem Planeten, unserer Gesellschaft und oft genug auch direkt uns einzelnen. Wir überfordern uns, unsere Mitmenschen und die Regenerationsfähigkeit des globalen Ökosystems. Ein Modell (von mehreren), das die Beachtung der Grenzen und eine bessere Verteilung zum Ziel hat, ist die „Donut-Ökonomie“ von Kate Raworth. In ihrem Buch von 2017 (deutsche Ausgabe von 2018) skizziert sie den sicheren Wirtschaftsraum der Menschheit. Der liegt zwischen dem „Gerade genug für alle Menschen“ und dem „Gerade noch ohne Überlastung der Kapazitäten unseres Planeten“, also zwischen dem „Zuwenig“ und dem „Zuviel“. Grafisch ergab sich für Raworth ein Ring, der bei ihr die Assoziation des vor allem in den USA und Kanada verbreiteten und beliebten Fettgebäcks weckte.

Am Beginn ihres Buchs macht die Entwicklerin zudem anschaulich, wie sehr unsere Vorstellungen vom Wirtschaften auch von Bildern geleitet sind, die vor einigen Jahrzehnten in den Wirtschaftswissenschaften geprägt wurden, damals auch eine gewisse Berechtigung gehabt haben mögen, heute jedoch nicht mehr angemessen sind, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen.

Wir können unser Geld sozial gestalten

Geld könnte als ein soziales Gestaltungsmittel fungieren, wo wir es denn benötigen. Es kann besser als bisher gelenkt werden. Und es kann besser als bisher konstruiert werden. Es ist zwar historisch gewachsen über Jahrhunderte, aber es ist eben menschengemacht, also können wir Menschen es auch anders gestalten. Beispiele dafür gab und gibt es bereits, allerdings stellen diese bislang eher Nischenprojekte dar – was jedoch nicht so bleiben muss.

Welche Art von Geld braucht also das bessere zukunftsfähigere Wohlstandsmodell, das sich viele wünschen? Wie müsste Geld bspw. für eine Donut-Ökonomie gestaltet werden? Und allgemeiner: Wie organisieren wir unser Geben und Nehmen vielleicht auch teilweise besser ohne Tauschlogik und ohne Geld – in einer Art ‚Ökonomie des Beitragens‘? Wie können wir die weitere Monetarisierung des Alltags vermeiden und auch die voranschreitende Ökonomisierung unseres Lebens verhindern?

Dazu Kate Raworth selbst:

Nachdem sie einige bereits existierende Beispiele für neue Gestaltungsmöglichkeiten des Geldes angeführt hat, schreibt Kate Raworth in einem Kapitel zu Verteilungsfragen (2018, S. 228): „All diese Beispiele machen (…) deutlich, dass die Art des Geldes – seine Schöpfung, sein Charakter und seine beabsichtigte Verwendung – weitreichende Auswirkungen auf die Verteilung des Wohlstands hat. Diese Erkenntnis ist für uns zugleich eine Aufforderung, uns der Monokultur des Geldes zu entziehen und das Potenzial eines distributiven Ansatzes in den Mittelpunkt eines neuen finanziellen Ökosystems zu rücken.“

Es ist sicher in Kate Raworths Sinn, wenn ich ihre Worte noch in der Weise ergänze, dass die Art des Geldes weitreichende Folgen nicht nur für Verteilungsfragen, sondern auch für die Erhaltung des Ökosystems Erde hat.

Literaturtipp:

Kate Raworth (2018): Die Donut-Ökonomie. Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört. Carl Hanser, München. 416 S.