Die Reise nach Jerusalem

Eine szenische Inszenierung am 20.2.2016 im Rahmen der Tagung „Von der Knappheit in die Fülle – Ein anderes Zukunftsbild des Wirtschaftens“.

Fünf Stühle und sechs Personen. Je nach Temperament schreiten, tänzeln oder marschieren die „Reisenden“ zu den Klängen von Pink Floyds „Money“ um die Stühle herum. Nach jeder Musiksequenz scheidet eine Person aus. Jedes Mal nimmt die Spielführerin einen weiteren Stuhl aus dem Spiel und hortet ihn am Rande des Spielfeldes. Am Ende bleibt ein Teilnehmer übrig, der sich und seine scheinbare Überlegenheit siegestrunken feiert. Die Spielmacherin gratuliert ihm kühl und überreicht ihm eine Auszeichnung, die ihm signalisiert: Ich bin wichtig! Dann wird das Spiel just in dem Moment eingefroren, als beim Sieger erste Ahnungen zu den unangenehmen Konsequenzen seines Sieges aufkommen: Die Ausgeschiedenen stehen zwar ohne Mittel, aber in Verbundenheit beisammen, die Spielführerin hockt auf ihren erbeuteten Stühlen wie auf einem Schatz, und der übrig gebliebene Spieler besitzt allein seinen Stuhl und klammert sich an seine vermeintliche Wichtigkeit. Wo lebt hier die Fülle, und wo herrscht die Knappheit?

Die „Reise nach Jerusalem“ taugt aus meiner Sicht als Sinnbild dafür, wie Knappheit in unserem Wirtschaftssystem von Menschen bewusst oder unbewusst konstruiert wird.  (Der Ursprung für dieses Gesellschafts- bzw. Kinderspiel liegt jedoch wohl weiter in der Vergangenheit: Als Vorbilder gelten die verlustreichen Kreuzzüge oder die zionistische Migration nach Palästina mit dem begrenzten Platzangebot auf den Auswandererschiffen oder eine Methode aus dem Strategikon des Maurikios, um feindliche Spione in den eigenen Reihen zu identifizieren…) Wegen der Analogie zum aktuell bestimmenden Wirtschaftssystem und zur dominanten Denkhaltung fand ich es sehr passend, dieses Spiel für die Einführung in den Workshop zu nutzen. Das Lernort-Team hat die Darstellung gemeinsam entwickelt und aufgeführt.



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